Wie heisst das nun richtig?
Die Kanji 柔術 werden in der latainischen Umschrift als Jūjutsu wiedergegeben. Der Strich über dem ersten “u” ist ein Dehnungsstrich, der anzeigt, dass dieser Vokal lang gesprochen wird. Die beiden “j” sind stimmhaft, werden also in etwa wie der Anfang von “Dschungel” ausgesprochen. Das letzte u wird gerne etwas verschluckt und ist nur schwach zu hören. So kommt man ein etwa zu “dschuu dschuts’h.”
Würde man versuchen “jiu-jitsu” (in dieser Aussprache) aus dem Japanischen zu übersetzen, so kommt man auf “Wahrheit des wohltuenden Regens” – was zwar sehr poetisch klingt, aber nicht unbedingt das ist, was man sagen möchte.
Samurai
Die alten Kampfkünste Japans werden als “Koryu” bezeichnet. Das bedeutet übersetzt “alte Schulen” und bezeichnet alle Kriegskünste, die vor der Meiji-Restauration im Jahre 1868 entstanden sind. Die Nahkampftechniken der Koryu wurden Jūjutsu genannt. Es gibt/gab hunderte verschiedene Schulen, die alle ihre eigenen Techniken hatten. Ein “einheitliches” Samurai-Jūjutsu gab und gibt es daher nicht.
Stammt ein Jūjutsu Stil wirklich von einer Koryu Linie ab, so wird der Name der Schule klar erkenntlich sein. Sekiguchi Shinshin-ryu jujutsu wäre zum Beispiel der Jūjutsu Stil der Sekiguchi Shinshin-ryu.
Alle klassischen Stile haben eine klare Lehrline. Der Gründer des Stils bildet Schüler heran, die dann, sobald sie soweit sind (wenn überhaupt) eine Lehrlizenz bekommen und dann eigene Schüler ausbilden dürfen. Ein Schüler in einer klassischen Schule kennt also in der Regel “seinen Lehrer” und dessen Lehrer bis zum Gründer des Systems.
Jiu-Jitsu und Ju-Jutsu in Deutschland
Ab jetzt wird es etwas komplizierter. Ich gehe hier kurz auf die Geschichte ein und gebe am Ende dieses Abschnitts einen kleinen Überblick über den aktuellen Stand.
Jiu-Jitsu
Erich Rahn hat im Jahre 1906 die erste Jiu-Jitsu Schule in Deutschland eröffnet. Erich Rahns Lehrer war Katsukuma Higashi. Problematisch hier ist, dass es so gut wie keine Informationen über Herrn Higashi gibt. Es gibt ein Buch namens “Kano Jiu-Jitsu” das als Autoren Hancock und Higashi angibt. Andere Belege für die Existenz von Herrn Higashi sind nicht bekannt. Der Name des Buches legt nahe, dass Herr Higashi von Herrn Kano gelernt hat. Allerdings sind die Schüler von Herrn Kano gut bekannt, und Anfragen beim Kodokan (der Schule von Herrn Kano) zeigten, dass dort kein Katsukuma Higashi bekannt ist.
Wahrscheinlich ist Herr Higashi in der Tsutsumi Hozan Ryu ausgebildet gewesen. Warum er in seinem Buch etwas aderes schreibt, und sich hier auf den Kodokan beruft ist unklar.
Belegt ist, dass Herr Kano sehr erstaunt über das Buch von Hancock war, und auch von der Qualität nicht beeindruckt war. Ebenfalls belegt sind Aussagen von Alfred Rhode, dass aus diesem Buch gelernt wurde.
Bei einem Vergleichskampf mit England 1929 haben die Deutschen Jiu-Jitsu Leute eine deutliche Niederlage einstecken müssen – und hier auch zum ersten Mal von “Judo” gehört. Ab 1932 gab es dann die Judo Sommerschule, unter der Leitung von Alfred Rhode, zu der japanische Judo Lehrer eingeladen wurden.
Ju-Jutsu
Auf der Seite des DJJV finden wir folgendes Zitat:
Hochgraduierte Dan-Träger erhielten den Auftrag, eine moderne und effektive Selbstverteidigung zu erarbeiten. Federführend dabei waren Franz Josef Gresch und Werner Heim. Sie stellten aus den verschiedensten Budo-Systemen die wirkungsvollsten Techniken zu einem neuen System zusammen, das den Namen Ju-Jutsu erhielt.
– Quelle: http://www.ju-jutsu.de/ju-jutsu-jiu-jitsu/geschichte-des-jj.html
Genauere Informationen, wie zum Beispiel die Namen aller Beteiligten und die jeweiligen Graduierungen zu dieser Zeit sind leider nicht überliefert.
Im Jahr 2000 wurde das Ju-Jutsu überarbeitet. Aus der Sammlung von Techniken wurde ein System entwickelt, bei dem die Anforderungen für die jeweiligen Gurtstufen auf denen der vorangehenden Gürtel aufbaut. Sparring ist ein integraler Teil des 2000er Programms. Ab den mittleren Schülergraden werden auch die Grundlagen des bewaffneten Kampfs vermittelt. In diesem Bereich wird in erster Linie auf Konzepte aus den filipinischen Kampfkünsten zurückgegriffen.
Was ist denn nun heute der Unterschied zwischen Jiu-Jitsu und Ju-Jutsu?
Beides sind deutsche Systeme die Anleihen bei anderen Kampfkünsten nehmen. Man könnte sie also als Hybridsysteme bezeichnen. Schulen mit “Jiu” Schreibweise betonen aber gern “japanische Wurzeln” und nutzen z.B. für ihre Techniken jap. Bezeichnungen. Auch findet man auf entsprechenden Webseiten gerne Hinweise auf “Budo Zeremoniell” ( welche in erster Linie normale japanische Verhaltensweisen sind, die wir Westler meist allerdings nur aus den jap. Kampfsportarten kennen). Viele Verbände nutzen noch heute eine Liste von Techniken, die in einer Kombination vorgeführt werden müssen.
Ju-Jutsu Schulen sind meist (aber nicht immer) etwas lockerer was diese Rituale angeht. Auch sind die Namen der Techniken beim DJJV auf deutsch und nicht auf japanisch benamt. Ein Teil der Prüfung basiert auf Drills und Sparringsübungen, ein anderer Teil aus Kombinationen gegen vom Prüfling wählbare Angriffe.
Ist Ju-Jutsu / Jiu-Jitsu etwas für mich?
Diese Antwort muss jeder für sich beantworten. Wie bei jeder anderen Kampfsportart gilt: Hingehen, mit machen, Meinung bilden. Wenn mehrere Schulen vor Ort sind, alle ausprobieren. Gerade im “JJ” Bereich gibt es teilweise große Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen, auch wenn diese dem gleichen Verband angehören.
ich finde diesen kurzen Überblick sehr gelungen.So ist es!
weiter so lenny.
Danke sehr 😉
Jo, auch von mir ein Lob – schöne Übersicht und vor allem recht objektiv.
Und: ich finde die Trainings-Klamotten auf dem ersten Bild geil 🙂 Das ist doch mal was anderes als der plöde Gi 😉
Hallo,
ich glaube, dass wir heute nicht genau sagen können, wo die Unterschiede sind, da es Geschichtlich erwiesen ist, dass die Entwicklung diese Kampfsport-, oder kunstarten aus verschiedennen Richtung kommen.
Folgenden Artikel finde ich genauso interessat!
[Hier befand sich der komplette, hier verlinkte Artikel]
http://www.sanfte-kunst.ch/content/ju-jitsu_geschichte.php
Was mir zur Schreibweise auffällt ist, dass einige Seiten die Kanjis nebeneinander schreiben, jedoch werden die Kanjis von oben nach unten geschrieben und gelesen. In einer meiner japanischen Unterrichtsstunden (lang ist her) hatte mir der Japanlehrer gesagt, dass nicht nur die Kanjis eine Bedeutung haben, sonder auch die Weise, wie man sie ausspricht.
liebe grüße
Juan
Und das ist genau die Art von nicht belegbarer Geschichte, wegen der ich den Artikel geschrieben habe.
Kannst du die Sachen belegen?
Beispiel:
Wie ist das belegt? Wer weiss das? Woher?
Warum sollte ein Teil einer jap. Kampfkunst sich aus “aus vielen individuellen Lehrtechniken (aus ganz Asien)” zusammengesetzt haben?
Und Abschnitte wie
sind einfach nur falsch. So falsch, dass sogar das Gegenteil nicht richtig wäre. Ich möchte dir hier das Buch Judo Memoirs von Jigoro Kano empfehlen. Das sollte viele Dinge klären.
[quote]Im Jahre 880 n. Chr., Prinz Tejiun (auch bekannt als Sadagami); gründete die Daito-Ryu-Aiki-Ju-Jitsu Schule.[/quote]
Vergleiche hierzu mal die Informationen aus der Wikipedia, die sich besser mit dem Decken, was ich im Zuge meiner Nachforschungen über Aikido haben finden können: Daito-Ryu auf Wikipedia – insbesondere auf die Jahreszahlen achten. Die Englische Fassung gibt noch mehr Informationen: Daito-Ryu auf Wikipedia (englisch).
Machen wir mal weiter:
Dir ist klar, dass “Kodokan Judo” ein jujutsu Stil ist? Das Schläge und Tritte teil des normalen Judo Programms sind? Das Kano vorgeschlagen hat, Boxhandschuhe an der Spitze aufzuschneiden, damit man schlagen und greifen kann? Und dies ist alles belegbar (du könntest dir zum Beispiel auf der Webseite des Kodokan die Liste der Atemi Techniken durchsehen).
Und sag mal einem Aikidoka, dass er keine Würfe kann. Auch werden shime waza in vielen Aikidostilen unterrichtet – es gibt auch Film Material von Moriteru Ueshiba mit Shime Waza.
Und jetzt frage Dich – woher kommt das JJ wirklich? Also nicht in den Geschichten. Sondern einfach nur “wo hat dieser Mann hier JJ gelernt? Wo hat dessen Lehrer gelernt? Und dessen Lehrer?” – hier einfach mal ein paar Generationen zurück zu gehen ist meist sehr aufschlussreich.
Nein. Wer sagt das denn?
Über die Sache mit der Eltern Kunst sag ich jetzt mal rein gar nichts.
BTW, google mal die Schreibweise “Choon Chu” – du findest da eine Reihe von Seiten die alle von der gleichen Quelle abgeschrieben haben. Dort findest du dann auch jede Menge andere Hinweise darauf, dass der ursprüngliche Autor nur sehr wenig historische Kenntnisse hatte. Jahreszahlen werden falsch wiedergegeben, Toyotomi Hideyoshi wird zu einem Chinesen gemacht, etc.
Diese Artikel sind quasi Idealbeispiele für die seltsamen Legenden, die umgehen. Und da insbesondere diese wirklich extrem weit daneben liegt (und sich auch noch selbst widerspricht) ist auch gut geeignet um den kritischen Umgang mit solchen Geschichten zu üben.
Ich möchte dir jetzt noch “Comprehensive Asian Fighting Arts” von Donn Draeger ans Herz legen, wenn Du Dich für die Geschichte interessierst.
Ich finde es immer ein Bischen komisch, wenn deutsche Kampfsportler versuchen, hierzulande eine japanische Tradition fortzuführen. Laut dem Herrn hier ist das ganze übrigens eine deutsche Erfindung.
Aber dass da mal jemand aus Nippon dem Erich Rahn ein paar Kniffe gezeigt haben muss, liegt für mich auf der Hand, selbst wenn er vergessen hat, sich vorher bei seinem örtlichen Dojo anzumelden.
Ju-Jutsu (die DJJV Version) ist ja auch eine deutsche Erfindung, er hat da also durch aus recht.
Ob jemand aus Japan Erich Rahn etwas gezeigt hat, oder ob Herr Rahn sein Wissen anfangs aus dem oben erwähnten Buch hatte, ist derzeit nicht klar. Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass es diesen Lehrer gibt. Allerdings auch nur Indizien dafür, dass aus dem Buch gelernt wurde (zum Beispiel die Aussage von Herrn Rhode).
Grüß Dich, Lenny.
Grooooßes Lob für Deinen Artikel, aber auch Dein Kommentar vom 2.3.12 kann ich nur so unterstreichen!!!!
Es wird endlich mal Zeit, daß mit diesen Märchen mal aufgeräumt wird, mich kotzen diese immer gleichen Wiederholungen von Halbwahrheiten und Ammenmärchen im Bezug auf Jûdô, Karate- Dô und Aikidô langsam an. Jeder kann sich Heutzutage Texte wie die von Dir genannten besorgen. Gerade in Bezug auf Judo wären noch “Mind over muscle” von Kano selbst und “Leben und Werk kano, Jigoro`s” von Niehaus zu nennen. Auch die Daigo- Bände sind sehr aufschlußreich.
MfG
Jobi